Gute Gründe für die Kirchensteuer

„Kirchensteuer? … find ich gut!“

Über die Schönheit der Kirchensteuern und den Kompromiss des österreichischen Kirchenbeitrags

Obwohl meine Pfarrstelle auf österreichischem Hoheitsgebiet liegt, kommt mein Gehalt als Pfarrer aus Kirchensteuermitteln der bayerischen evangelischen Christen. Es wäre bestimmt wenig einleuchtend, wenn ich etwas gegen (deutsche) Kirchensteuern hätte. Aber auch ganz unabhängig davon finde ich die Regelung, Aufgaben der Kirchen über ein Kirchensteuersystem zu finanzieren richtig gut. Was wäre die Alternative?

Die Kirche wäre arm und nicht in diesem Maße handlungsfähig, wie sie es im Moment noch ist, wenn sie (nur) auf Spenden angewiesen wäre. Oder sie wäre abhängig von den Spendern, die sich ihre Kirche kaufen könnten.

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Oder sie wäre abhängig von staatlichen Geldern und Zuschüssen. Das ging in der Vergangenheit und geht in der Gegenwart überhaupt nicht gut, weil sich die Kirche als Dienerin der Macht anbiedern müsste.

Ich gebe zu: Die Kirchensteuer in Deutschland ist ein einmaliges Konstrukt. Andere Kirchen machen es anders und leben auch. Zugleich hat das deutsche System einiges für sich und finanziert häufig die Aufgeben anderer Kirchen im Ausland partnerschaftlich mit. Das finde ich, ist gelebte Ökumene, sozusagen gelungene Globalisierung im Auftrag des Herrn.

Mit der Kirchensteuer werden die deutschen Kirchen zuverlässig finanziert und können darum selbst zuverlässige Arbeitgeber und Partner sein.

Außerdem erhält der Staat für die Dienstleistung der Steuererbehung für die Kirchen über die Finanzämter ein erhebliches „Honorar“, auf das er ungern verzichten will.

Die Kirchensteuer hat eindeutige weitere Vorteile:

1. Sie ist solidarisch. Die Höhe der zu zahlenden Kirchensteuer hängt an der Höhe der Einkommenssteuer und die hängt an der Höhe des Einkommens. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert. Und wer nichts oder wenig hat, der braucht gar nicht oder nur wenig zu zahlen. Ich halte die progressive Kirchensteuer dem evangelikalen „Zehnten“ oder der muslimischen „Zakat“ für überlegen, weil sie die finanziell Starken stärker in die Pflicht nimmt! Dadurch werden auch kirchliche Handlungsfelder finanziert, die sich um Menschen kümmern, die gar keine Kirchensteuer zahlen wie zum Beispiel Kinder, Jugendliche, Alte, und Nicht-Kirchenmitglieder. Die Kirchensteuer ist gerechter als die freiwillige Lust, etwas zu geben oder nicht.

Gemeinden mit Reichen sind nicht automatisch reiche Gemeinden, weil kirchliche Angebote auch in Gegenden, die wirtschaftlich und/oder kirchlich schwach sind, aufrechterhalten werden können. Gemeinsame Aufgaben werden auch gemeinsam finanziert – egal, wo und wie sie sich stellen.

2. Durch die Kirchensteuer beteiligen sich Menschen an der Finanzierung aller kirchlichen Aufgabenfelder. Es werden nicht einfach die Lieblingsprojekte gesponsert. Die Kirchensteuer ist weniger anfällig für Partikularinteressen der Mitgliederschaft. Ein nicht unerheblicher Teil fließt auch in die „Kulturpflege“. Viele wollen die Pflege „christlich-abendländischer Kultur“, aber kaum einer zahlt dafür.

3. Die Kirchensteuer macht unabhängig. Aus dem Vereinsleben kennen wir, dass die Hauptspender viel zu sagen haben. Aber Kirchensteuern helfen dem prophetischen und kritischen Wort, das viele auch nicht hören wollen, weil es unbequem ist. Sie verhindern die alte Masche „Wes Brot ich ess‘, des‘ Lied ich sing‘“.

4. Die Kirchensteuer ist verlässlich. Das Steueraufkommen lässt sich prognostizieren, so dass auch langfristig geplant werden kann. Wir wissen, dass Spenden von Wellen des Geschmacks und der öffentlichen Aufmerksamkeit abhängen. Mit Hilfe der Steuern ist erst eine verlässliche Personalplanung möglich. Es geht ja immerhin um ganze Lebensbiographien einschließlich Rente!  

5. Kirchensteuer ist effektiv. Sie spart den Einzelgemeinden viel Verwaltung. Jeder Vereins-Kassenwart, kann das bestätigen. Durch die kontrollierbare Professionalität wird außerdem auch dem Missbrauch der anvertrauten Gelder gewehrt.

6. Fazit: Man könnte auch von einem Glücksfall oder der „Schönheit“ der Kirchensteuer sprechen.

Im Kleinwalsertal versucht die Bayerisch-Evangelisch-Lutherische Kreuzkirche mit Hilfe der Landeskirche seelsorgerlich so gut es geht auf Vorarlberger Boden zu wirken.

7. Jährlich wagen wir ein Experiment: Wir stellen den Vertrauensautomaten an und schreiben im Brief zum Kirchenbeitrag immer wieder folgendes:

-          Auf der einen Seite sind die Evangelischen in Österreich zur Zahlung des Kirchenbeitrags verpflichtet. Er errechnet sich ähnlich wie die deutsche Kirchensteuer.

-          Auf der anderen Seite verzichten wir darauf, ihn einzuklagen und machen auch die Kirchenmitgliedschaft davon nicht abhängig. Er ist formal verpflichtend aber faktisch freiwillig. Es ist eine echte Bitte.

-          Dann schauen wir, was passiert: Gibt der Rahmen von Vertrauen und Freiwilligkeit der Kirche vor Ort die Kraft, ihrem Auftrag gemäß zu leben?

-          Das Experiment gelingt seit Jahrzehnten eher nicht.  Die Mittel aus dem Kleinwalsertal bringen nur einen Bruchteil der Kosten, etwa 10 - 20 %, für die Kreuzkirche samt Pfarrdienst auf. Evangelische Kirche würde es ohne Steuern hier nicht geben. Wie wird es in der Zukunft sein? Was sollte geschehen?

Herzlich und neugierig, Ihr und euer

Frank Witzel